Special: DDR-Literatur

Dieses Special widmet sich zum ersten Mal in der Papierstau-Podcast-Geschichte nicht einem/einer Autor*in oder einer Reihe, sondern einer ganzen Epoche, und zwar dreht es sich um die Literatur in der DDR. Zumindest wird es mit drei Büchern versucht. Robin und Tim freuen sich sehr, zu diesem Thema Dr. Franziska Thiel begrüßen zu dürfen, die derzeit Dozentin an der Universität Leipzig ist.
Anstelle des Vorgeplänkels gibt Franziska einen kleinen Überblick über die Epoche, erzählt von den verschiedenen Strömungen und vom Literaturbetrieb. Außerdem geht es um die ersten Kontakte, welche die drei mit Büchern aus der DDR hatten, wobei sich Franziska durch ihre Eltern bereits seit ihrer Kindheit damit beschäftigt hat, Tim durch die Schule und die Uni dazu gekommen ist, sich mehr damit auseinanderzusetzen und Robin bis zu dieser Folge noch gar keinen bewussten Kontakt damit hatte. Eine spannende Konstellation!

Den Anfang macht Robin mit einem der wohl auch international bekanntesten Werke, die aus der DDR hervorgegangen sind – “Jakob der Lügner” von Jurek Becker. Das Buch schildert die Erlebnisse des Jungen Jakob, der in einem nicht näher benannten Ghetto zur Zeit des zweiten Weltkriegs ist. Weil für Juden ab einer bestimmten Zeit Ausgangsverbot herrscht, wird Jakob von einem Polizisten aufgegriffen, der ihm sagt, dass er nicht mehr draußen sein darf und sich deshalb beim Vorsteher melden soll. Weil sich viele Gerüchte um diesen Ort, von dem wohl keine Menschen mehr zurückkehren ranken, hat Jakob fürchterliche Angst davor, geht aber trotzdem hinein. Es stellt sich heraus, dass sich der Polizist einen Spaß erlaubt hat, denn er war gar nicht nach der Ausgangssperre draußen, und er wird laufen gelassen. Auf seinem Weg nach draußen, hört er im Radio, dass die Russen möglicherweise an den Grenzen stehen und dem Krieg ein Ende machen könnten. Er muss diese Information mit den anderen Teilen, sagt ihnen aber, dass er das in einem Radio gehört habe. Die Leute erwarten von da an stets neue Nachrichten von ihm, und da er keins hat, muss er sich welche ausdenken. Beck ist es gelungen, Schrecken, Hoffnung, Humor und Ernst in einem Buch zu vereinen, das vollkommen zurecht als Klassiker gilt.

Tim macht mit einem Buch weiter, das in der DDR nicht veröffentlicht werden durfte und daher erst im Jahr 2000 erschien: “Die Stadt der tausend Augen” von Klaus Frühauf. In dem Science-Fiction Roman geht es um Aaron Munch, ein junger Mann, der für das Amt für Stabilität als Observierer arbeitet und Leute abhört. Seine Freundin hat wegen dieses Jobs mit ihm Schluss gemacht und er wacht zu spät auf. Er beeilt sich, und im Fahrstuhl trifft er eine Frau, in die er sich schlagartig verliebt. Sie ist jedoch eine Kategorie unter ihm angesiedelt, was ihn verwundert, da sie sich einen Transporter nehmen kann – ein Privileg, dass eigentlich nur höhergestellten vorbehalten ist. Auf Arbeit angekommen findet er auch schnell heraus, wer sie ist. Allerdings schaltet sich sein Chef ein, der ihn darauf hinweist, dass er sich lieber auf seine Arbeit konzentrieren soll, da sie eine Nummer zu groß für ihn sei. Er beginnt nach und nach, das System zu hinterfragen. Das Buch bietet offensichtliche Parallelen zur Stasi, zur Mauer und Machtmissbrauch und übt starke Kritik am Regime der DDR. Trotz eines mitreißenden Anfangs und einem wirklich gelungenen Ende, gab es im Mittelteil der Handlung einige Längen, die der ansonsten gelungenen Buch nicht zu einer 100%igen Empfehlungen bringen.

Franziska macht den Abschluss mit einer der DDR Autorinnen und einer der wahrscheinlich wichtigsten Autorin des 20. Jahrhundert: “Der geteilte Himmel” von Christa Wolf. Die Protagonistin des Romans hat sich versucht, umzubringen, und in Rückblenden wird nach und nach ihre Geschichte aufgeklärt. Das Buch spielt in Halle zu der Zeit, in der gerade angefangen wurde, die Mauer zu bauen. Ihr Geliebter will in den Westen, während sie daran glaubt, mit der DDR einen sozialen Staat aufbauen zu können. Die Geschichte wird packend und poetisch erzählt, und hat nach Erscheinen großen Anklang gefunden und liest sich, vor allem sprachlich, heute noch genau so gut wie damals.

Das war’s für diese Folge. Großen Dank an Franziska, die das alles mitgemacht hat! Bis zum nächsten Mal – lest was Gutes!

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Timecodes:

00:00:00 - Überblick DDR-Literatur
00:19:54 - "Jakob der Lügner" von Jurek Becker
00:37:30 - "Die Stadt der tausend Augen" von Klaus Frühauf
01:04:40 - "Der geteilte Himmel" von Christa Wolf

 

Buch-Infos:

Titel: Jakob der Lügner
Autor: Jurek Becker
Verlag: Suhrkamp (1969)
Preis (Buch/eBook): 9,00 € / 8,99 €
Länge: 288 Seiten
Genre: Nationalsozialismus, Holocaust
Form: Taschenbuch
ISBN: 978-3518372746
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Titel: Die Stadt der tausend Augen
Autor: Klaus Frühauf
Verlag: H & F Verlag (2000)
Preis (Buch/eBook): nicht erhältlich
Länge:
Genre: Science-Fiction, Dystopie
Form: Taschenbuch
ISBN: 978-3933625304
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Titel: Der geteilte Himmel
Autor: Christa Wolf
Verlag: dtv (1973)
Preis (Buch): 9,99 €
Länge: 240 Seiten
Genre: Politik, DDR
Form: Taschenbuch
ISBN: 978-3423009157
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